Distance Learning III: Corona wird vergehen, Distance Learning bleiben
Das BMBWF lud Expertinnen und Experten zum virtuellen Workshop „Distance Learning – Lessons Learned“, um auf Basis der Erfahrungen des Jahres 2020 und der vorangegangen Veranstaltungen Empfehlungen für die hochschulische Lehre der Zukunft zu entwickeln.

In einem waren sich alle rund 70 Teilnehmenden einig: Die Corona-Pandemie wird spätestens mit der Verfügbarkeit einer flächendeckenden, wirksamen Impfung eingedämmt sein. Distance Learning aber wird die Universitäten und Hochschulen weiterhin beschäftigen, auch wenn sie ihren Lehr- und Prüfungsbetrieb dann hoffentlich nicht mehr von einem Tag auf den anderen auf den digitalen Modus werden umstellen müssen. Dafür braucht es eine mittel- bis langfristige Perspektive oder, wie es Elmar Pichl, der Leiter der Hochschulsektion des BMBWF, ausgedrückt hat: „Corona hat einen innovativen Schub und einen unglaublichen Kraftakt in der universitären und hochschulischen Lehre ermöglicht, den niemand von uns Anfang dieses Jahres für möglich gehalten hätte. Erfahrungen aus diesem ,Emergency Teaching and Learning‘ gilt es nun in den regulären Lehrbetrieb einzubetten und weiterzuentwickeln.“
Ausgewiesene Expertinnen und Experten diskutierten über die Zukunft der Lehre
Wie, darüber wurde im Workshop „Distance Learning - Lessons Learned“ eifrig diskutiert, zu dem das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) ausgewiesene Expertinnen und Experten am Dienstag, den 1. Dezember 2020, eingeladen hatte. Es handelte sich in erster Linie um Angehörige jener Universitäten und Hochschulen, die bereits zu den beiden Vorgängerveranstaltungen zum Distance Learning beigetragen hatten: am 10. September, als es um Distance Learning aus Sicht der Universitäten gegangen war , und am 24. September, als Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Privatuniversitäten ihre Erfahrungen präsentiert und diskutiert hatten. Vertreten waren demnach Expertinnen und Experten der Universität Wien, der Technischen Universität Graz, der Universität für angewandte Kunst Wien, der Fachhochschule Technikum Wien, der Fachhochschule Joanneum, der Pädagogischen Hochschule Steiermark sowie der Modul Private University Vienna.
Darüber hinaus nahmen Vertreterinnen und Vertreter wesentlicher Interessensvertretungen im Hochschulbereich teil, darunter insbesondere jene der Hochschulkonferenz (Österreichische Universitätenkonferenz (uniko), Österreichische Fachhochschulkonferenz (FHK), Rektor/innenkonferenz der österreichischen Pädagogischen Hochschulen (RÖPH), Österreichischen Privatuniversitätenkonferenz (ÖPUK), Österreichischen Hochschüler/innenschaft (ÖH), der Senatsvorsitzendenkonferenz und des österreichischen Wissenschaftsrates). Auch durften Repräsentantinnen und Repräsentanten der mit dem Thema betrauten wissenschaftlichen Netzwerke und Plattformen im Bereich Distance Learning nicht fehlen, allen voran des Forums Neue Medien in der Lehre Austria (fnma), des Österreichischen Qualitätsmanagement-Netzwerks (QM-Netzwerk) sowie des Netzwerks Hochschulforschung Österreich (HoFo).
Ziel des Workshops: Gemeinsam strategische Empfehlungen entwickeln
Ziel der Veranstaltung war es, im Rahmen eines virtuellen „World-Cafés“ zu den drei Themenbereichen „E-Didaktik“, „Strategische Rahmenbedingungen und Governance“ und „Technische Umsetzung und Implementierung“ zentrale Empfehlungen zu erarbeiten. Dafür konnten die Teilnehmenden via Zoom an virtuellen Tischen in Form von „Break-Out-Rooms“ Platz nehmen. Jeder der virtuellen Tische wurde von je zwei Hosts des BMBWF betreut. Das galt auch für den vierten, „offener Tisch“, an dem darüberhinausgehende Fragestellungen in Zusammenhang mit Distance Learning thematisiert werden konnten.
Heiße Diskussionen an den vier virtuellen Thementischen
Dieser „offene Tisch“ zählte zu denjenigen, an denen besonders intensiv diskutiert wurde – zum Beispiel darüber, dass nicht jeder junge Mensch automatisch als „Digital Native“ angesehen werden könne. Der Grundtenor lautete: Nur, weil jemand mit den digitalen Tools aufgewachsen sei, könne daraus nicht automatisch abgeleitet werden, dass er oder sie diese auch technisch perfekt beherrsche oder entsprechend einsetzen könne. Diskutiert wurde am offenen Tisch ebenso über „Digital Equity“, also der Chancengerechtigkeit durch Digitalisierung, die besonders bei der Entwicklung neuer Lehr- und Lernangeboten mitgedacht werden müsse. Einigkeit herrschte unter den Diskutantinnen und Diskutanten darüber, dass das BMBWF den Austausch über das Thema „digitales Prüfen“ stärker fördern müsse, das aufgrund der coronabedingten Umstellung auf Distance Learning alle Universitäten und Hochschulen derzeit besonders beschäftige.
Eindeutige Begriffsbestimmung für digitales Lehren und Lernen erwünscht
Auch am Tisch „E-Didaktik“ ging es heiß her: Hier wurde unter anderem über die Notwendigkeit verstärkter Austausch- und Kooperationsangebote gerade im Hinblick auf digitale Lehrmaterialien und Open Education Ressources (OER) diskutiert. Als mindestens ebenso wichtig wurde die Förderung der Selbstorganisation der Studierenden von Seiten der Universitäten und Hochschulen angesehen. Schließlich lautete eine Empfehlung an das BMBWF, sich um eine Begriffsklärung zu bemühen: Anstelle von „Distance Learning“ sollte man besser – so wie schon früher - vom E-Learning oder digitalem Lehren und Lernen und Prüfen sprechen.
Am Tisch „Technische Implementierung und Umsetzung“ wiederum wurde die Ausstattung mit entsprechender technischer Infrastruktur als eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche, digitale Hochschullehre identifiziert. Das betreffe bei weitem nicht nur die Universitäten bzw. Hochschulen sowie ihre Lehrenden, sondern mindestens ebenso die Studierenden. Einige Lehrende erzählten von Studierenden, die über keinen funktionsfähigen Laptop und/oder auch keine stabile Internetverbindung zu Hause verfügten. Darüber hinaus wurde angeregt, dass das BMBWF die Entwicklung von Open-Source-Lösungen als Lehr- und Lernumgebungen und -anwendungen stärker forcieren müsse. Das gelte auch für den Austausch über das geltende Urheber- und Datenschutzrecht, weil sich aufgrund von Kameraaufzeichnungen bei digitalen Prüfungen oder durch das Streamen von Lehrveranstaltungen völlig neue Rechtsfragen für Lehrende, Studierende, aber auch die Hochschulinstitutionen stellten.
Ergebnisse fließen in weiteren Strategieprozess des BMBWF ein
Die Ergebnisse aller vier Thementische wurden auf einem sogenannten Padlet, einer digitalen Pinnwand, veröffentlicht und konnten dort offen kommentiert werden. Sie fließen nun in den weiteren Strategieprozess des BMBWF im Bereich der zukünftigen digitalen Hochschullehre ein. So plant die Hochschulkonferenz bereits, eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema „Digitales Lehren, Lernen und Prüfen“ einzurichten.
2021 wird also weiterhin ganz im Zeichen von Distance Learning stehen – unabhängig davon, wie es mit der Corona-Pandemie weitergeht.
Links
- „Distance Learning I: Ergänzung ja, Ersatz nein“, Bericht der BMBWF-Veranstaltung vom 10. September 2020 mit öffentlichen Universitäten
- „Distance Learning II: Was Hochschulen von Netflix lernen können“: Bericht der BMBWF-Veranstaltung vom 24. September 2020 mit Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Privatuniversitäten