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Weiterbildung NEU an Hochschulen
Im Zentrum der Titel?
vom 31. Mai 2021
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Science Talk: Der Kampf um den Titel
Wien (APA-Science) - Alle wollen ihn, den Bachelor - oder besser noch, seine großen Brüder, Master und Doktor. Bei einer Podiumsdiskussion des Bildungsministeriums (BMBWF) am Montag ging es natürlich nicht um den Junggesellen der gleichnamigen Fernsehshow, sondern um den Titel und die damit verbundene geplante Reform der hochschulischen Weiterbildung. Vorweg ein Spoiler: Eine rote Rose hat am Ende des Abends niemand bekommen.
"Euch hol ich locker ein und mache den Jedi-Meister." So oder so ähnlich ging die Werbung eines Fernlehrinstituts, nicht ganz unpassend für die lange Liste der akademischen Grade in Österreich. Sie umfasst von LL.M. über EMPH bis MIB etc. rund 70 verschiedene Titel. Eine Gesetzesnovelle für die hochschulische Weiterbildung, die am 1. Oktober 2021 - mit einer zweijährigen Übergangsfrist - in Kraft treten soll, sieht unter anderem vor, diese Anzahl auf sieben Grade zu reduzieren. Kernpunkt ist außerdem, dass mehr Durchlässigkeit im Hochschulbereich zwischen (normalerweise kostenlosen) ordentlichen und (meist kostenpflichtigen) außerordentlichen Studien geschaffen wird. So soll dann beispielsweise ein "Weiterbildungs-Bachelor" zu einem ordentlichen Masterstudium berechtigen.
Auf bewährte Titel setzen
Diese Reform, so Friedrich Faulhammer, Rektor der Donau-Universität Krems, sei schon lange überfällig. Im Vorjahr lief die Strategie zum lebensbegleitenden Lernen "LLL:2020" aus, es sei also Zeit für einen neuen rechtlichen Rahmen, um Qualität in die Weiterbildung zu bringen und "der wissenschaftlichen Weiterbildung in Österreich den Stellenwert zu geben, die ihr gebührt." Die Reduktion der Titel sieht er kritisch, die große Anzahl bedeute für ihn mehr Vielfalt als Unübersichtlichkeit - "Viel wichtiger ist es doch, dass wir Menschen, die über jahrelange Berufserfahrung verfügen, Weiterbildungsmöglichkeiten auf Hochschulniveau bieten." Statt neue Titel wie etwa die vieldiskutierten "Bachelor of Continuing Education" bzw. "Master of Continuing Education" einzuführen, solle man auf internationale Vernetzbarkeit durch vergleichbare Titel setzen.
"Ich bin der der Meinung, mit einem neuen Titel wird es nicht einfacher", zeigte sich auch Sylvia Geyer, designierte Rektorin der FH-Technikum Wien (Amtsantritt am 1. September), nicht sonderlich begeistert und erinnerte an die Skepsis bei der Einführung der Bachelor- und Mastergrade im Zuge des Bologna-Prozesses: "Es hat Jahre gedauert, um zu zeigen, dass es hohe Qualität ist, die da von österreichischen Hochschulen geliefert wird." Mit bewährten Titeln stieße man auf höhere Akzeptanz, ist sie sicher. Generell begrüße sie die Novelle aber: "Für mich ist Weiterbildung mein Blut, mein Herz schlägt für diese Reform."
Lebenslanges Lernen
Besonders im technischen Bereich, wo sich Inhalte und Themen rasch ändern, könne man neu aufgetane Wissenslücken mit Weiterbildung gut abfangen, so Geyer. "Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, wo viele neue Herausforderungen auf uns warten." Deswegen müsse man Lernen "als einen Prozess sehen, der einen das ganze Leben lang begleitet." Es genüge nicht mehr, nach der Matura einen dreijährigen Bachelor zu machen und seine Ausbildung für beendet zu betrachten.
Die Diskussion um die Betitelung sei für das Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) ein Luxusthema, betonte AMS-Vorstand Johannes Kopf. Bei Personen mit Hochschulabschlüssen handle es sich um jene, die ohnehin die günstigste Auslangslage hätten: "Selbst wenn man Altgriechisch studiert hat, hat man bessere Chancen am Arbeitsmarkt als jemand, der nicht studiert hat", weiß Kopf. Es sei die Fähigkeit, zu lernen und das Gehirn zu schulen, die bei einem dynamischen Markt so wichtig sei. Dass die Reform einen "Wildwuchs an unterschiedlichen Qualitätsleveln" eingrenzen will, halte er für gut.
Angst vor Parallelsystem
Die Durchlässigkeit ist auch mit Befürchtungen verbunden. Der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Österreichische Hochschülerschaft äußerten in den vergangenen Tagen die Sorge, dass es durch die Angleichung der Lehrgänge an ordentliche Studien zu einem kostenpflichtigen Parallelstudienangebot an Hochschulen kommen könnte. Diese Angst teile sie nicht, so Geyer. Studien und Lehrgänge seien "einfach zwei unterschiedliche Dinge".
Die Sorge eines Parallelsystems ist auch für Faulhammer nicht gerechtfertigt, da mit der Weiterbildung eine ganz andere Gruppe angesprochen werde als mit einem Regelstudium, nämlich die der älteren, berufserfahreneren Menschen.
Während der Coronapandemie wurden an der Donau-Uni, der Universität für Weiterbildung, deutlich höhere Studierendenzahlen verzeichnet, so Faulhammer. Obwohl das Distance Learning gut funktioniert habe, wolle man zurück in die Präsenzlehre, sind sich die Experten einig. Bei Videokonferenzen lenke die Lebenssituation drumherum ab, so Geyer, außerdem leide besonders der Austausch unter der Distanz.
Pausengespräche, die gemeinsame Reflexion des Gehörten mit anderen Teilnehmern, das funktioniere online (noch) nicht so gut wie analog, befand auch Kopf, der mittlerweile schon zweimal online an einer Weinverkostung teilgenommen hat: "Der Wein schmeckt auch einfach nicht so gut."
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